Der Geruchsartikel: Herstellung & Handhabung - Die Schnüffelwerkstatt

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Der Geruchsartikel: Herstellung & Handhabung

Foto eines menschlichen AugesWenn wir einen bestimmten Menschen suchen, weil wir ihn z.B. vom Bahnhof abholen sollen, benutzen wir Menschen dazu i.d.R. unseren Sehsinn. Wir benötigen daher ein Foto der Person um sie zu erkennen.
Nasenspiegel eines Hundes
Der Hund hingegen nutzt zur Suche in erster Linie seinen Geruchssinn. Statt eines Fotos benötigt er daher ein geruchliches Abbild des zu suchenden Menschen. Dazu wird der Geruch des Menschen auf einen Geruchsträger übertragen. Wir sprechen nun vom Geruchsartikel, kurz GA.

Je aktueller, schärfer und detailreicher das Foto der zu findenden Person ist, desto wahrscheinlicher ist es, diese auch in einer großen Menschenmenge sicher zu identifizieren. Ein Einzelbild / Portrait vom Tag der Reise eignet sich besser als ein Gruppenbild vom Schulabschluss vor 20 Jahren. Ebenso verhält es sich mit dem Geruchsartikel für den Hund.  

Wir haben im täglichen Training oft erlebt, wie unbedarft mit den GA`s umgegangen wird. Deshalb möchten wir im Folgenden darlegen, warum uns ein verantwortungsvoller und sorgsamer Umgang mit dem GA wichtig ist und was dabei aus unserer Sicht alles zu beachten ist.

1) Was riecht der Hund auf dem GA?
Der Geruch des Menschen setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen.
Die “Basisnote” ist unverwechselbar und einzigartig (= Individualgeruch) wie beispielsweise der Fingerabdruck. Sie ist chemisch sehr stabil (siehe Punkt 4) und wahrscheinlich genetisch bedingt. Wie genau der Individualgeruch entsteht ist noch nicht erforscht. Aktuell wird der MHC (Major-Histokompatibilitäts-Komplex) als Quelle vermutet.

“Obendrauf” finden sich andere, temporär veränderbare Geruchskomponenten. Solche wären zum einen verzehrte Nahrungsmittel (Vegetarier, Fleischesser, Knoblauch, Süssigkeiten, ...) und interne Umwelteinflüsse (Gesundheitsfaktoren, Geschlecht, Alter, Hormonstatus, ...). Zum anderen verändern auch äussere Umwelteinflüsse (Waschmittel, Cremes, Deos, Parfüm, Zigaretten, ...) den Geruch eines Menschen immer wieder.

Puzzleteile als Sinnbild für die Einzelkomponenten des GeruchsWir stellen uns das so vor, dass der Hund alle Einzelkomponenten des Geruchs wahrnimmt und diese zu einem Gesamtbild “Mensch A” zusammensetzt. Entscheidend für die Suche eines bestimmten Menschen ist für den Hund immer der Basis- / Individualgeruch. Nur anhand dieses Geruchs ist der zu suchende Mensch zweifelsfrei zu identifizieren, seine Spur aus all den anderen Spuren der im Suchgebiet vorhandenen Gerüche für ihn zu erkennen und somit verfolgbar. Alles “obendrauf” ist Zusatzinformation und eher bei frischen Spuren v.a. für den “Abgleich” nutzbar.

2) Welches Material ist für den GA geeignet?
Grundsätzlich ist sehr vieles als Geruchsträger geeignet, solange es in Kontakt mit der zu suchenden Person war bzw. der Geruch dieser Person darauf übertragen wurde. Die Größe ist dabei nicht entscheidend. Ein Stück Plastikfolie kann ebenso genutzt werden wie ein Gegenstand aus Holz, Metall, Stein oder anderen Naturmaterialien. Natürlich sind auch Stoff, z.B. die altbewährte Socke, oder Papier gut geeignet. Hier darf man ruhig kreativ sein und Verschiedenstes ausprobieren. Es gibt einige Erfahrungsberichte, dass Hunde den Geruch der zu suchenden Person von Leder manchmal nicht auf- bzw. abnehmen können. Das könnte vom Bearbeitungs- /Gerbverfahren abhängen. Wissenschaftliche Belege dafür gibt es jedoch nicht.

Unserer Beobachtung nach fällt es insbesondere Trailanfängern leichter mit “weichen” als mit festen Materialien als Geruchsträger zu arbeiten.

Bei der Auswahl eines GA`s sollte auch noch bedacht werden, ob die Suche unmittelbar durchgeführt wird oder der GA für eine spätere Nutzung eingelagert werden muss (siehe Punkt 5).

3) Wie kommt der Geruch an den GA?
Im Grunde muss man einen Gegenstand nicht einmal berühren, um den eigenen Geruch an ihm zu hinterlassen oder um eine Geruchsspur zu legen. Schließlich gehen wir zum Auslegen des Trails nicht barfuß, berühren somit nicht unmittelbar den Boden, und trotzdem ist der Hund in der Lage diese Spur zu verfolgen.

Allerdings ist der GA der einzige Weg dem Hund mitzuteilen welche der vielen vorhanden Geruchsspuren (andere Menschen, Wildtiere etc.) er für uns verfolgen soll. Beim Training müssen wir daher sicherstellen, dass der Hund genau diesen einen, unverwechselbaren, zur Zielperson gehörenden Geruch aufnimmt, um ihn dann bei der Suche verfolgen zu können. Deshalb ist uns sowohl die verantwortungsvolle Herstellung des GA`s als auch der Umgang mit diesem für den optimalen Trainingserfolg so wichtig.

menschliche HandflächeIn Studien wurde festgestellt, dass Hunde den Geruch von Handflächen und behaarten Körperregionen (Kopf, Achsel, ...) besonders gut der betreffenden Person zuordnen und diese somit zweifelsfrei identifizieren können. (Harvey et al., 2006). Es entsteht quasi ein Portrait. Um einen für den Hund möglichst eindeutigen GA zu fertigen ist es daher gängige Praxis diese Körperregionen mit dem Geruchsträger zu berühren / abzureiben. Selbstverständlich ist es auch möglich Blut, Urin oder Haare als Referenzgeruch zu nutzen.
Bei der Nutzung von Atemluft oder Speichel ist der Einfluss von z.B. Nikotin oder ätherischen Ölen (wie Menthol aus Kaugummi und Bonbons) und manchen Medikamenten als problematisch zu berücksichtigen.

Zeichnung einer SanduhrAllgemein kann man sagen, dass ein Geruchsartikel hergestellt wird, indem man den Geruchsträger mit der Geruchsquelle in Verbindung bringt. Die Einwirkzeit variiert dabei je nach “Qualität” der Geruchsquelle. Ist die zu suchende Person vor Ort, reicht meist ein kurzes Abreiben von z.B. Hand und Haaransatz völlig aus. Habe ich jedoch nur das Sofa oder den Autositz, auf dem die Person zuletzt gesessen hat, werde ich, um eine ausreichende Übertragung des Geruchs auf den GA sicher zu stellen, diesen für einen längeren Zeitraum z.B. auf der Sitzfläche des Sofas liegen lassen müssen (Herstellen einer Gruchskopie).

4) Was ist bei der Aufbewahrung und dem Transport des GA’s zu beachten?
Geruch ist extrem hitzeresistent. In Versuchen war er für Hunde selbst nach einer Explosion mit Temperaturen von 800°C - 4500°C noch verfolgbar (Stockham et al., 2004). Ebenso konnten nach einem ähnlichen Versuch mittels Gaschromatograph die als “Geruch” ausgemachten flüchtigen organischen Verbindungen (volatile organic compound // VOC) weiterhin nachgewiesen werden. (Curran et al., 2010)
Wer also immer noch geglaubt hat mittels Spülmaschine oder Auskochen (z.B. der verwendeten Gläser) Geruch vernichten zu können, sollte sich nun endgültig von dieser Idee verabschieden. Da die Geruchsmoleküle aber wasserlöslich sind, kann man vermutlich deren Konzentration verringern. Darum sollte man sich auch vor JEDER Benutzung von z.B. Gläsern und Deckeln bemühen. Wir kennen keine wissenschaftlich belegten Studien darüber, durch welche Maßnahmen sich Geruch zuverlässig vernichten lässt und / oder wie lange er sich stabil und unverändert hält. Wir gehen deshalb erst einmal davon aus, dass man Geruch nicht vernichten kann.

leeres SchraubglasMöchte man Geruch möglichst “veränderungsfrei” konservieren, darf man das UV-Licht nicht außer Acht lassen, da dieses einen Einfluss auf die Stabilität zu haben scheint. Für die Geruchs-Einlagerung sollten dunkle Gläser benutzt werden oder zumindest sollten die Gläser abgedunkelt (z.B. im geschlossenen Karton) aufbewahrt werden. (Hudson et al., 2009)
Als Geruchsprobe zur Einlagerung haben sich ein Abstrich von Hand oder Mundschleimhaut sowie Blut als extrem stabil erwiesen. Urin und Atemluft scheinen eher ungeeignet. (Kusano et al., 2013)
Für die Lagerung von Gerüchen über einen längeren Zeitraum hat sich in Versuchen ein Geruchsträger aus 100% Baumwollgaze  als am besten geeignet erwiesen. (De Greeff et al., 2011)

Anmerkung am Rande: Steril bedeutet keimfrei, jedoch NICHT frei von Geruch !!!

5) Was passiert wenn der Zeitpunkt der Herstellung des GA’s weit von der Zeit des Laufens der Spur abweicht?
Wie bereits unter Punkt 1 erwähnt setzt sich der Geruch eines Menschen aus einzelnen Geruchskomponenten zusammen. Diese ändern sich mit der Zeit mehr oder weniger stark oder auch gar nicht. rothaarige Frau im grünen Kleid mit braunen Lederstiefeln auf einem Waldweg stehendMan kann sich das vielleicht in etwa so vorstellen, als solle man im Sommer bei 30°C im Freibad eine Person suchen. Als Beschreibung hat man folgende Informationen: Frau mit leuchtend gelbem Bikini, roten langen Haaren und Strohhut mit großer blauer Schleife. Wenn du sie nicht sofort sondern erst Stunden später suchen kannst, bleibt von diesen Informationen aber vielleicht nur noch rothaarige Frau übrig, weil der Strohhut bereits abgelegt wurde, sie jetzt ein grünes Kleid mit Stiefeln trägt und im Wald unterwegs ist. Vielleicht war sie sogar noch beim Friseur und trägt ihre Haare nun kurz.

Frisch oder später, beide Aufgaben sind lösbar, die spätere Suchaufgabe ist aber aufgrund der veränderten Informationen deutlich schwieriger als die ursprüngliche. Der Hund muss sich im Falle einer Abweichung zwischen GA-Geruchsmix und Spur-Geruchsmix ausschließlich auf die Basisnote (= Individualgeruch) konzentrieren, da das “obendrauf” sich durch die Zeit verändert hat.

KnoblauchknollenDie Hundenase ist in der Lage noch viele weitere, ähnliche Veränderungen wahrzunehmen. Sogar für uns Mikrosmatiker (= wenig ausgeprägter Geruchssinn) ist doch schon deutlich wahrzunehmen, wie sich der Eigengeruch einer Person verändert, wenn diese am Vortag Knoblauch gegessen hat.

6) Wie kommt der GA zum Hundeführer?
Im Training ist i.d.R. die Zielperson vor Ort und kann den GA direkt an den Hundeführer nach dessen Vorgaben (Tüte, Glas) übergeben. Wichtig ist darauf zu achten, dass niemand sonst den GA berührt oder er sonst irgendwie zusätzlich kontaminiert wird. Für den Einsatzfall variiert das Vorgehen in den Einsatzeinheiten. Das Pro und Kontra verschiedener Möglichkeiten möchten wir hier nicht diskutieren.

7) Kontamination am GA (vermeidbar / unvermeidbar / bewusst zu Trainingszwecken)
Unter Kontamination verstehen wir in diesem Zusammenhang eine “Verunreinigung” mit anderen Gerüchen als dem der Zielperson. Einen wirklich reinen, komplett unkontaminierten GA kann es unserer Überzeugung nach unter realen Bedingungen nicht geben. Wie wir weiter oben bereits beschrieben haben, bedeutet auch steril nicht geruchsfrei. Egal was ich kaufe, alles ist bereits durch viele Hände gegangen, ob bei der Herstellung, der Verpackung, dem Transport, dem Verräumen im Geschäft oder an der Kasse. Das stellt grundsätzlich auch kein Problem dar, denn sonst würde es keine Personensuchhunde geben können.

Uns ist jedoch wichtig sich die verschiedenen Kontaminationsquellen vor Augen zu führen und so bewußt wie möglich damit umzugehen. Für den Hund macht es einen Unterschied, wer den Geruch kontaminiert hat (Ausschluss). Ist es der Geruch des Produktionsmitarbeiters aus der weit entfernten Fabrik, ist dieser Geruch für den Hund eher uninteressant, wenn sich auch der Geruch der zu suchenden Person auf dem GA befindet und der Produktionsmitarbeiter nie am Suchort war.
Ist es aber der Geruch eines Menschen, der evtl. erst wenige Minuten zuvor den Startpunkt zu Fuss verlassen hat, so ist von diesem nicht nur der GA-Geruch, sondern auch noch eine Spur vorhanden. Wie soll der Hund wissen, welchen Geruch er verfolgen soll? Ist der Kontaminations-Geruch oder der Geruch der "von uns gewünschten" Zielperson der richtige?

HalstuchEin Beispiel aus der Praxis: Es wird bei jedem Training dasselbe Halstuch als GA verwendet, evtl. nicht einmal nach jedem Training gewaschen (= keine Verringerung der Geruchskonzentration durchgeführt). Nach der Suche fasst jeweils der Hundeführer das Tuch an (es ist ja “verbraucht”) und gibt es vielleicht noch über ein anderes Teammitglied an die Zielperson zurück. Bald hat man geruchlich ein “Gruppentuch” bei dem der Hund sich aus dem Geruchsgemisch den richtigen Geruch für die gleich folgende Suche heraussuchen muss. Hier besteht die große Gefahr, dass der Hund etwas falsches lernt. Wir können nicht überprüfen, welchen der vielen Gerüche auf dem Tuch er zur Lösung der Suchaufgabe nutzt.

Fazit / Was uns wichtig ist:
Insbesondere beim Aufbau eines neuen Teams / am Anfang der Trailkarriere ist es extrem wichtig sehr genau auf “saubere”, möglichst gering kontaminierte, “gute” GA`s zu achten! Wir Menschen können den Geruch auf dem GA nicht wahrnehmen. Wir haben somit auch keine Möglichkeit den Kontaminationsgrad des Geruchträgers zu kontrollieren.

Puzzleteil und passende LückePasst das, was der Hund gerade verfolgt, zum vorher präsentierten GA? Passt es zu dem, was er suchen soll? Wir (Trainer) sehen häufig erst bei der Suche selbst, dass etwas nicht zusammen zu passen scheint. Solch eine Auffälligkeit bei einer Suche kann aber viele Ursachen haben. Ein kontaminierter GA ist nicht das Erste, woran dann ursächlich gedacht wird. Beim Aufbau muss also so umsichtig wie möglich mit dem GA umgegangen werden. Es ist sonst nicht auszuschließen, dass der Hund etwas völlig anderes verknüpft / lernt als wir denken. Im ärgerlichsten (weil einfach zu vermeidendem) Fall, führt das vielleicht erst viel später zu Problemen. Erst wenn der Hund z.B. Differenzierungsaufgaben nicht lösen kann.
jemand legt seine Hand in die eines anderenAls Hundeführer und auch als Trainer ist man hier also auf seine Trainingspartner angewiesen. Wir müssen uns darauf verlassen können, dass unsere Zielpersonen den GA sorgsam hergestellt und transportiert haben, der Kontaminationsgrad so gering wie möglich ist.

Wenn ihr unsicher seid, ist das kein Problem. Seid ehrlich und sprecht uns an!

Für Teams, die über die reine Auslastung hinaus in den Sport- oder Einsatzbereich streben, gehört die Arbeit mit kontaminierten GA`s natürlich auch mal dazu. Aber im Training immer unter kontrollierten Bedingungen. Das bedeutet nämlich keinesfalls, dass man nun schluderig im Umgang mit dem GA wird. Ganz im Gegenteil! Es wird bewusst mit dem Kontaminationsgrad des GA`s gearbeitet. Verschiedene Szenarien werden abgefragt. So wird überprüft, ob der Hund tatsächlich das verknüpft hat, was wir ihm beibringen wollten. Dies ist immer nur dann möglich, wenn die Kontamination selbst und auch die Quelle der Kontamination bekannt sind.



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